Der deutsche Spargel

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Schandmäulchen
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Der deutsche Spargel

Beitrag von Schandmäulchen »

Sarazena hat geschrieben: So 19. Apr 2020, 14:50
Schandmäulchen hat geschrieben: So 19. Apr 2020, 14:07Mir ist der Appetit auf Spargel jedenfalls gründlich vergangen.
Ich habe jetzt gelernt, dass Spargel systemrelevant ist.
Vielleicht hat er mir deshalb besonders gut geschmeckt Bild
Wir fressen weißen deutschen Spargel, während wir Kinder und Jugendliche auf Lesbos verrotten lassen. Wir sind halt immer noch die Herrenrasse.
Deltazwo hat geschrieben: So 19. Apr 2020, 16:03 Und Frau Schandmaul hat recht, nur bleibt uns ja nichts anders übrig, die Mehrheit der Deutschen möchte den Job ja nicht machen.
Einspruch. Die Mehrheit der Deutschen möchte den Job zu den Konditionen der ausländischen Saisonkräfte nicht machen.

Diese Konditionen sind:
  • keine Sozialversicherungspflicht für ausländische Saisonkräfte und damit keine Kosten für die Arbeitgeber (bei Vorlage der Bescheinigung "A1")
  • Arbeit zum Mindestlohn von EUR 9,35 pro Zeitstunde
  • Unterkunft wird in der Regel vom Arbeitgeber gestellt
  • Kost/Logis wird gleich vom Lohn einbehalten
Damit sind ausländische Saisonkräfte konkurrenzlos billig.

Seit dem 25. März 2020 bestand wegen der Corona-Pandemie ein striktes Einreiseverbot für ausländische Saisonkräfte. Bereits am 2. April 2020 haben die Bundesminister Klöckner (CDU) und Seehofer (CSU) dieses Verbot gelockert, sodass im April und Mai jeweils 40.000 meist osteuropäische Saisonkräfte nach Deuschland einreisen dürfen. Zudem wurde die Zeitspanne der Beschäftigung dieser Arbeitkräfte deutlich von 70 auf 115 Tage angehoben (im vergangenen Jahr von 50 auf 70 Tage).

Das Geschäft mit dem Luxusgemüse Spargel funktioniert nur mit ausländischen Saisonkräften. Und als die deutschen Spargelbauern 2020 wegen Corona mit diesem Geschäftsmodell auf die Nase zu fallen drohten, habe sie sich bei der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft zigtausende Billiglöhner bestellt - und die Klöckner hat geliefert. Trotz der Pandemie. Wenn man die Bilder von den rumänischen Flughäfen gesehen hat...

Gott bewahre - womöglich hätten ja einheimische Erntehelfer eine faire Bezahlung durchgesetzt? Es ist doch eine Gesetzmäßgkeit des Marktes, dass der am längeren Hebel sitzt und die Preise bestimmt, der ein wirtschaftlich knappes Gut anbieten kann? Das funktioniert doch bei Atemschutzmasken auch? Aber für solche Leute, die nichts zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft und ihre Gesundheit, funktioniert der heilige Markt nicht!

Merke: wir lassen trotz Corona 80.000 ausländische Billigarbeiter ins Land, damit die Deutschen weiter billigen Spargel bekommen und die Spargelbauern keine höheren Löhne zahlen müssen, aber die Flüchtlinge auf Lesbos und anderswo überlassen wir ihrem Schicksal. Gerade mal 50 unbegleitete Flüchtlingskinder aus Moria nehmen wir auf und selbst das ist einigen noch zu viel.

Wir haben es wirklich schon wieder weit gebracht.
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Zwiebel
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Der deutsche Spargel

Beitrag von Zwiebel »

Ich stimme dir weitgehend zu.

Außerdem ist Spargel für mich nix besonderes, schmeckt nach wenig und ist für mich deutlich entbehrlicher als Tomaten, Paprika und Orangen.

Landwirtschaftliche Arbeit wird schon lange nicht mehr gebührend bezahlt. Massentierhaltung und üble Transportbedingungen werden toleriert. Wir alle können daran etwas ändern! Bio kaufen und das zu Demeter oder Bioland Vorgaben! Rewe Bio (z. B. ) ist nicht wirklich Bio, wie sich das unsereiner vorstellt.
Wir können nicht alles tun; aber wir müssen tun, was wir können.
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Schandmäulchen
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Der deutsche Spargel

Beitrag von Schandmäulchen »

Danke. :-)
______________________

Verstoß gegen Quarantänevorschriften auf Spargelhof

Eklatante Verstöße gegen Bestimmungen des Seuchenschutzes, und dann werden wie bei (anderen) Menschenhändlern die Ausweise der Saisonarbeitskräfte einbehalten? Das ist meiner Ansicht nach Freiheitsberaubung.

Der Spargelanbauer Dietrich Paul, um den es in diesem Video geht, hat 2005 gerade einmal 5,42 Euro Stundenlohn gezahlt - und über die damals angekündigte Sozialversicherungspflicht gejammert. Die wurde ja inzwischen in seinem Sinne geregelt...
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Schandmäulchen
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Beitrag von Schandmäulchen »

Spargel Ritter in Bornheim - wobei die sich die Kritik wohl nicht gegen den mittlerweile insolventen Spargelbauern richtet (der auf dem Hof mittlerweile Hausverbot hat), sondern gegen den Insolvenzverwalter. Wie dort die Erntehelfer behandelt werden, ist ja noch übler als auf dem Spargelhof Paul in Hoyerhagen. :-O

https://www.express.de/bonn/-das-ist-wi ... r-36711658
https://www.general-anzeiger-bonn.de/re ... d-51199379
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Schandmäulchen
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Beitrag von Schandmäulchen »

Spargel: Undercover-Recherche zeigt niedrige Löhne und Intransparenz bei Thiermann

Schlimm genug, dass tausende Arbeiter auch auf Anforderung keine nachvollziehbaren Lohnabrechnungen bekommen.
Das ist schlicht rechtswidrig. Wie kann es sein, dass das die zuständigen Behörden nicht interessiert? Diese Bude gehört
bis auf den letzten Fetzen Papier vom Zoll gefilzt!

Das Problem ist, dass es auch die Konsumenten wenig bis gar nicht interessiert.

Ich war schon über 20, als ich das erste Mal Spargel aß. Den gab es hier früher einfach nicht - und wenn, dann war er
exorbitant teuer. Ein Luxusgemüse eben. Vermutlich ging ein Großteil des Spargels, der hierzulande bis zur Wende
angebaut wurde, zwecks Devisenbeschaffung ins NSW.

Was mich mal interessieren würde: wie haben sich die Spargelanbauflächen seit 1990 in Deutschland und insbesondere
in den neuen Ländern entwickelt? Wo kann man sowas nachlesen?
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